Theorie: Die BITV
Hintergründe
Am ersten Mai 2002 ist in Deutschland das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) in Kraft getreten. Ziel ist es, "die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen." (BGG, §1).
Damit bot das BGG quasi die Grundlage für die zwei Monate später vom Bundesinnenministerium und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales verabschiedete Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) dar. In ihr ist näher geregelt, welche Bedingungen für eine barrierefreie Website zu erfüllen sind, bis wann das umzusetzen ist und für wen diese Verordnung zunächst gilt - zunächst nämlich für alle Internetauftritte und -angebote sowie "mittels Informationstechnik realisierte graphische Programmoberflächen, die öffentlich zugänglich sind", der Behörden der Bundesverwaltung. Die dafür nötigen Umbauarbeiten der betroffenen Informationsangebote sollen bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossen sein.
Inhaltlich basieren die Anforderungen und Bedingungen der BITV grundsätzlich auf den Zugänglichkeitsrichtlinien für Web-Inhalte 1.0 (Web Content Accessibility Guidelines 1.0) des World Wide Web Consortiums (W3C) vom 5. Mai 1999.
Inhalte
Damit eine Website der BITV entspricht, muss sie jede der 14 Anforderungen erfüllen:
- Für jeden Audio- oder visuellen Inhalt sind geeignete äquivalente Inhalte bereitzustellen, die den gleichen Zweck oder die gleiche Funktion wie der originäre Inhalt erfüllen.
- Texte und Grafiken müssen auch dann verständlich sein, wenn sie ohne Farbe betrachtet werden.
- Markup-Sprachen (insbesondere HTML) und Stylesheets sind entsprechend ihrer Spezifikationen und formalen Definitionen zu verwenden.
- Sprachliche Besonderheiten wie Wechsel der Sprache oder Abkürzungen sind erkennbar zu machen.
- Tabellen sind mittels der vorgesehenen Elemente der verwendeten Markup-Sprache zu beschreiben und in der Regel nur zur Darstellung tabellarischer Daten zu verwenden.
- Internetangebote müssen auch dann nutzbar sein, wenn der verwendete Benutzeragent neuere Technologien nicht unterstützt oder diese deaktiviert sind.
- Zeitgesteuerte Änderungen des Inhalts müssen durch die Nutzerin / den Nutzer kontrollierbar sein.
- Die direkte Zugänglichkeit der in Internetangeboten eingebetteten Benutzerschnittstellen ist sicherzustellen.
- Internetangebote sind so zu gestalten, dass Funktionen unabhängig vom Eingabegerät oder Ausgabegerät nutzbar sind.
- Die Verwendbarkeit von nicht mehr dem jeweils aktuellen Stand der Technik entsprechenden assistiven Technologien und Browsern ist sicherzustellen, so weit der hiermit verbundene Aufwand nicht unverhältnismäßig ist.
- Die zur Erstellung des Internetangebots verwendeten Technologien sollen öffentlich zugänglich und vollständig dokumentiert sein, wie z.B. die vom World Wide Web Consortium entwickelten Technologien.
- Der Nutzerin / dem Nutzer sind Informationen zum Kontext und zur Orientierung bereitzustellen.
- Navigationsmechanismen sind übersichtlich und schlüssig zu gestalten.
- Das allgemeine Verständnis der angebotenen Inhalte ist durch angemessene Maßnahmen zu fördern.
Standards
Die BITV schreibt die Nutzung von Technologien vor, wie die vom W3C. Mit dieser "Öffnungsklausel" schließt die BITV auch andere De-Facto-Standards ein, die nicht vom W3C kontrolliert werden: JavaScript ist als ECMA-262 vollständig dokumentiert und normiert worden. Auch das Flash-Format ist vom Hersteller Macromedia vor einiger Zeit offen gelegt und dokumentiert worden, so dass es hier wohl ebenfalls eingeschlossen ist.
Aus dieser Anforderung folgt unter anderem auch, dass der Programmierer bei seinen Seiten auf proprietäres, d.h. herstellerspezifisches Markup grundsätzlich verzichten sollte. Allerdings ist es für eine Verordnung aus formaljuristischen Gründen nicht möglich, sich direkt auf Standards zu beziehen, die nicht der regierungsamtlichen Kontrolle unterliegen. Grundsätzlich fährt man dann genau richtig, wenn man sich an die Standards des W3C hält. Das umfasst (X)HTML und CSS. Validatoren des W3C helfen bei der Entwicklung und Kontrolle (vergl. Kapitel 0).